Green New Deal: Sich Gefahren stellen
Autor: Fabian Erhardt, Datum: 07.05.2021
Mit dem Titel Green New Deal werden verschiedene Pläne bezeichnet, die dem Zusammenbruch der Ökosysteme so umfassend wie möglich entgegentreten. Bereits 2008 stellte die UN fest, dass es in der menschlichen Geschichte bisher keine Situation gab, die sich mit den zunehmenden Veränderungen unserer natürlichen Lebensbedingungen vergleichen ließe. Die britische Star-Ökonomin Ann Pettifor vergleicht die Belastungen, die auf uns warten, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und dem Abbau der endlichen Ressourcen des Planeten zu beenden, mit denen „einer Nation, die angesichts eines drohenden Krieges eine kollektive Verteidigungsanstrengung unternehmen muss“.
Green New Deal zielt auf strukturelle Veränderungen
Während Umweltschützer:innen dazu neigen, sich auf individuelle (wechsle Deine Glühbirne) oder kommunale (beispielsweise Mülltrennung) Maßnahmen zu konzentrieren, zielt ein Green New Deal auf ein alternatives Wirtschaftsparadigma, das sich in einem soliden und demokratischen makroökonomischen Rahmen bewegt. Im Zentrum stehen nicht persönliche Veränderungen unseres Verhaltens (auch wenn diese weiter eine Rolle spielen), sondern strukturelle Veränderungen der nationalen und internationalen Finanz- und Produktionsverhältnisse.
Das Wirtschaftssystem wird dabei als dabei als ein Teilsystem des Ökosystems in den Blick genommen. Entscheidend für ökologisch orientierte Wirtschaftsaktivität ist das optimale Verhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie , nicht unbegrenztes Wachstum: Was ist die mögliche Größe einer Wirtschaft, die innerhalb sicherer ökologischer Grenzen betrieben werden kann? Wie groß sollte das Teilsystem der Wirtschaft sein, relativ zum gesamten Ökosystem?
Geldsysteme im Interesse der Gesellschaft einsetzen
Um die finanziellen Ressourcen zu mobilisieren, die für notwendige wie massive Veränderungen benötigt werden, muss das globalisierte Finanzsystem selbst zu einem Instrument des Wandels gemacht werden. Noch bereichert sich ein verhältnismäßig kleiner Teil der Menschheit auf spekulative Weise an ihm, statt mit seiner Hilfe dem größten Teil der Menschheit zu ermöglichen, was Not tut und keinen Aufschub duldet.
Öffentlich gestützte Geldsysteme können nicht im Interesse der Gesellschaft und des Ökosystems verwaltet und eingesetzt werden, solange sie „globalisiert“ bleiben – gekapert und ins Ausland verlagert (Offshoring), außerhalb des regulierenden Zugriffs souveräner Staaten. Diese Perspektive teilt MorgenFokus: Zahlreiche Menschen sind kaum an der spekulativen Wertschöpfungsstruktur beteiligt und bekommen dennoch am härtesten dessen toxische ökologische, ökonomische und soziale Nebenwirkungen zu spüren.
Green New Deal: Reform der Finanzwirtschaft
Die große Frage lautet: Wie kann man den finanzwirtschaftlichen Kapitalismus reformieren? Wie können die Rahmenbedingungen dieses immens wichtigen Instruments demokratisch reformiert werden? Fakt ist, dass die Zahl von nicht rechenschaftspflichtigen Marktakteuren drastisch reduziert werden muss.
Ökologische Ignoranz, soziale Unsicherheit und Zerschlagung öffentlicher Daseinsfürsorge sind bei gleichzeitiger Existenz von Steueroasen, unkontrollierbarer Kapitalmobilität und märchenhafte Kapitalgewinnen nicht dauerhaft zu rechtfertigen. Maßnahmen wie die Finanztransaktionssteuer sind ein Schritt in die richtige Richtung, reichen aber bei Weitem noch nicht aus, um die Natur und die Gesellschaften vor ungehemmten Marktkräften zu schützen.
Schutz des Planeten statt Profitmaximierung
Regierungen, die sich der Ausweitung öffentlicher Investitionen in dem Umfang stellen, wie sie ein Green New Deal erfordert, werden unweigerlich auf den Widerstand von Finanziers, Bankern, Spekulanten und Investoren stoßen. Jedoch: Ohne ihre politisch legitimierte Autorität werden die grundlegenden, systemweiten Reorganisationen ausbleiben, die in Bereichen wie Wasser, Energie, Wohnen, Verkehr, Bildung und Produktion, die zum Schutz und zur Reparatur der Lebenserhaltungssysteme auf dem Planeten Erde notwendig sind. Es besteht die reale Gefahr, dass sich die Hyper-Globalisierung und ihre rücksichtslose Bevorzugung der Profitmaximierung gegenüber den Bedürfnissen der Menschen und des Planeten durchsetzt.
Richtung nachhaltiger Wertschöpfung
Gegen eine solche „düstere Utopie“ bringt sich auch MorgenFokus in Position: Globalisierung ja, Hyper-Globalisierung nein. Heisst konkret: Ideen, Wissen, Fähigkeiten, und wechselseitige Abkommen sollen weltweit zirkulieren, aber ein Schlüsselprinzip der nächsten Phase menschlichen Wirtschaftens wird eine lokale und flexible Produktion, kombiniert mit einer nachhaltigen Wertschöpfungs- und einer fairen Beteiligungsstruktur. Der Kapitalmarkt muss eine Form finden, in der es nicht sein primäres Ziel ist, mehr Geld zu schaffen, sondern das Geld in den Dienst der Verbesserung und Erhaltung des Lebens zu stellen.